Viele Verhaltensweisen entstehen aus der Interaktion zwischen Individuen und ihrer Umwelt (z.B. Freund und Feind, mögliche Paarungspartner, Konkurrenten, dominante oder unterwürfige Artgenossen, Prädatoren). Entsprechend basieren viele Verhaltensweisen nicht nur auf angeborenem Verhalten, sondern auch auf erlerntem Verhalten wie beispielsweise auf eigenen Erfahrungen oder auf dem Beobachten von Artgenossen. Die wichtigsten Mechanismen, die das Verhalten aller Tiere in ihrer Umwelt beeinflusst, sind die Fähigkeiten zu lernen und zu erinnern: Lernen ist der Prozess, bei dem (neues) Wissen, verschiedene Aspekte und Informationen über unsere Umgebung erworben werden, während das Gedächtnis das erworbene Wissen kodiert, speichert und situationsbedingt wieder abrufbar macht. Damit ist Lernen also unerlässlich für jede flexible Verhaltensanpassung, der sogenannten ‚Verhaltensplastizität‘.
Die Verhaltensplastizität basiert auf der sogenannten ‚Neuroplastizität‘ des Gehirns. Die Grundlage der Neuroplastizität bilden vielfältige molekulare, zelluläre und neuroanatomische Anpassungsmechanismen. Im menschlichen Gehirn beispielsweise befinden sich etwa 100 Milliarden Nervenzellen (Neurone), die über Axone und Dendriten miteinander vernetzt sind. Innerhalb des Gehirns ist die Verknüpfung der Neurone aber nicht unveränderlich, sondern es bilden sich je nach Aktivität neue Assoziationen, die kontinuierlich durch Lernen und Erfahrung beeinflusst, geschwächt oder verstärkt werden können (sogenannte ‚strukturelle und synaptische Modifikationen‘). Dies passiert nicht nur zwischen zwei Neuronen, sondern insbesondere in komplexen neuronalen Netzwerken. Je nachdem in welchem Gehirnbereich sich die Neurone befinden, übernehmen Neuronengruppen (‚Kerngebiete‘) beispielsweise ganz bestimmte (Teil-) Aufgaben oder speichern neue Informationen abrufbereit ab. Diese Prozesse sind eine Grundvoraussetzung für jede Art des Lernens und Gedächtnisses bei allen Wirbeltieren – vom Fisch bis zum Mensch. Die Neuroethologie bildet die Schnittstelle dieser Forschungsgebiete und verbindet die Methoden der Verhaltensforschung mit denen der Neurobiologie und der Sinnesphysiologie. Nachdem ich mich einige Jahre mit den visuellen Fähigkeiten, den zugrundeliegenden Mechanismen beim Lernen und Gedächtnis und dem Zusammenspiel und Aufbau der beteiligten Gehirngebiete der Bambushaie (Hemiscylliidae) beschäftigt habe, liegt mein Forschungsschwerpunkt an der Uni Siegen derzeit auf der Untersuchung kognitiver geschlechtsspezifischer Unterschiede verschiedener Zahnkärpflinge (Poeciliidae), ihren Fähigkeiten beim individuellen ‚trial & error‘-Lernen, sozialem Lernen und ihrer (geschlechtsspezifischen) kognitiven Verhaltensflexibilität. Weitere neuroethologische Experimente werden folgen, um auch hier herauszufinden, welche Gehirngebiete eine Rolle spielen.
Meine Forschung beschäftigt sich also mit der engen Assoziation von Verhalten und Neurobiologie. Was passiert in der ‚Blackbox Gehirn‘ in unterschiedlichen Situationen wie etwa der Orientierung im Raum, visueller Diskriminierung von verschiedensten (lebenden) Objekten oder bei der Interaktion im komplexen Sozialverband mit Artgenossen, Freund oder Feind? Wie kann ein Fisch all diese Aufgaben bewältigen, obwohl sein Gehirn ca. 10.000x kleiner ist als unser menschliches Gehirn und nicht über einen das Säugetiergehirn prägenden Neocortex verfügt? Wie also ist die ‚Software‘ hinter dem Verhalten aufgebaut und organisiert?
Lust mitzumachen? Lust und Spaß, während der Masterarbeit Verhaltensversuche zu verschiedenen Fragestellungen an Guppies und Atlantikmollies durchzuführen? Dann sprechen Sie mich an! Bachelor- und Masterarbeiten sind nach Absprache jederzeit möglich.