Promotionsprojekt: Study of life history traits in a highly aerial bird species, the common swift (Apus apus)
Abbildung 1 Für das Fliegen gemacht: Der Mauersegler (Foto: K. Roggel)
Der maximale Reproduktionserfolg ist im Tierreich die oberste Maxime, und um dieses Ziel zu erreichen, haben Tiere unterschiedliche Strategien entwickelt (Spencer 2002). Dieses Mosaik an Evolution resultiert aus den verschiedenen Lebenslaufstrategien. Interessanterweise haben sich neben den interspezifischen Lebenslaufstrategien auch intraspezifische entwickelt (Dobson und Murie 1987). Um diese Variabilität zu untersuchen und zu verstehen, bedarf es Langzeitstudien, die sich mit den Strategien verschiedener Spezies hinsichtlich ihrer Anpassung auf die wechselnden Lebensbedingungen im Laufe des Jahres, beschäftigen. Eine Variation ist die Migration. Die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea) legt bei ihrer Wanderung vom Brutplatz zum Überwinterungsgebiet beispielsweise mehr als 80.000 km im Jahr zurück, während andere Vogelarten nur über kurze Strecken migrieren (Egevang et al. 2010). Zugvögel stehen vor der generellen Herausforderung, Verhaltensweisen zu entwickeln, die der Maximierung der individuellen Fitness in Bezug auf Umwelteinflüsse während der Brut- und Überwinterungszeiten, dienen.
Das Promotionsvorhaben befasst sich mit der Entschlüsselung verschiedener Lebenslaufstrategien des Mauerseglers (Apus apus). Der Mauersegler gehört zu den Langstreckenziehern und ernährt sich ausschließlich von Insekten. Die verhältnismäßig große Flügelspannweite ist das Ergebnis eines evolutionären Prozesses, dass das lange Fliegen perfektioniert. Dadurch ist der Segler im Stande den Großteil seines Lebens in der Luft zu verbringen. Nur zum Brüten (ca. 3 Monate im Jahr) unterbricht der Mauersegler seinen ausdauernden Flug. Für das Projekt werden die drei Fragestellungen mittels moderner Technologie untersucht und mögliche Erklärungen beleuchtet.
1. Elterliche Investition in die eigenen Nachkommen – Fütterungsflug
Abbildung 2 Adulter Mauersegler am Nest bereit zur Fütterung (Foto: K. Witte)
Zur Untersuchung der Fütterungsflüge werden die Segler mit einem Radiotelemetriesender ausgerüstet. Geplant ist die Verwendung des PicoPip Ag379 Senders der Firma Lotek, UK. Der Sender wiegt ca. ein halbes Gramm (0.42 g) und ist somit weit unter der 5 % Körpergewichtsregel (Fair et al. 1997). Um das Signal der Sender empfangen und verarbeiten zu können, wird ein Antennensystem verwendet, das vom „Freien Institut für Datenanalyse FRIDATA” in Freiburg (https://radio-tracking.eu/) entwickelt wurde. Es handelt sich hierbei um ein mobiles Antennensystem, das autonom die Signale der besenderten Vögel empfängt und abspeichert. Bei der späteren Datenanalyse kann mittels Triangulation die genaue Position des Vogels im Raum errechnet und sekündlich nachvollzogen werden. Die Futterballenanalyse soll nach einheitlichem Protokoll erfolgen. Bei vorher ausgewählten Nestern werden 1-2 Futterballen pro Nest und Tag, während der Fütterung der Jungtiere (Abbildung 2), entnommen und deren Brennwert im Labor bestimmt. Als Ausgleich werden die betroffenen Jungtiere mit Ersatznahrung versorgt.
2. „Schlechte Zeiten überstehen“ mit Hilfe von Torpor
Welche Faktoren bestimmen den Torpor der Vögel, wie lange und wer verharrt in diesem Zustand, wie verläuft die Stoffwechselrate vor, während und nach dem Torporereignis, und wie viel Energie kann der Vogel dadurch einsparen? Die Nester der Vögel befinden sich in Nistkästen, um den Sauerstoffverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß der Vögel kontinuierlich messen zu können. An einem Nistkasten wird ein mobiles Kalorimetrie-System („CaloBox“; Abbildung 3) angeschlossen.
Abbildung 3 Der Aufbau der „Calobox“ vor Ort (Foto: N. Kelsey)
Die Calobox nimmt alle 20 s eine Gasprobe aus dem Nistkasten und alle 15 min eine Probe aus der Umgebung als Referenz. Anhand des O2-Konsums und der CO2-Produktion kann zwischen einem Torpor- und Nicht-Torpor-Ereignis unterschieden und auf die Stoffwechselrate geschlossen werden. Neben der Calobox werden auch Temperaturfühler am Nest (Probe) und in der Brücke (Norm) angebracht. Neben den Gaswerten können zusätzlich Temperaturunterschiede betrachtet werden.
3. Migration
Wo überwintern die Mauersegler, wie viele und welche Überwinterungsgebiete und welche genauen Routen nutzen sie? Zur Klärung dieser Fragen werden die Mauersegler im Juli 2020 mit GPS-Datenspeicher „nanoFix®GEO-Mini GPS tag“ der Firma Pathtrack Ltd., UK ausgestattet. Diese Geräte werden mittels eines Tragegurts, wie ein Rucksack, auf den Rücken des Vogels aufgesetzt (Abbildung 4). Diese wiegen inklusive dem Tragegurt 1,3 Gramm, was unter der 5 % Regel liegt (Fair et al. 1997).
Abbildung 4 GPS-Datenspeicher auf dem Rücken des Mauerseglers (Foto: A. Wellbrock)
Mit den Datenspeichern ist es möglich, verschiedene Messintervalle zu programmieren. Für den Zug nach und von Afrika wird alle 4 Stunden eine Position aufgezeichnet; im Überwinterungsgebiet alle 12 Stunden. Nach dem Wiederfang der Vögel im darauffolgenden Jahr, können die Daten ausgewertet werden. Zusätzlich können Wind- und Niederschlagswerte genutzt werden und in Relation zu den Flugdaten analysiert werden. Als zusätzlichen Faktor für die unterschiedlichen Migrationsstrategien wird der „Normalized Difference Vegetation Index“ (NDVI; Deutsch: normierter differenzierter Vegetationsindex) herangezogen. Diese Daten werden dazu genutzt, die photosynthetische Aktivität von Gebieten aus der Ferne abzuschätzen.
4. Zusätzliches
Neben meinem Promotionsprojekt verwalte ich auch im Rahmen eines Citizen Science Projektes einen Internetauftritt mit dem Titel „Mauersegler über Siegen“, auf der ich jede Mauerseglersichtung von aufmerksamen Bürgerinnen und Bürger in Siegen und Umgebung verzeichne und diese Informationen auf der Webseite https://apussiegen.wixsite.com/mauerseglersiegen für alle zugänglich zur Verfügung stelle.
Literatur:
Dobson, F. Stephen; Murie, Jan O. (1987): Interpretation of Intraspecific Life History Patterns: Evidence from Columbian Ground Squirrels. In: The American Naturalist 129 (3), S. 382–397. DOI: 10.1086/284643.
Egevang, Carsten; Stenhouse, Iain J.; Phillips, Richard A.; Petersen, Aevar; Fox, James W.; Silk, Janet R. D. (2010): Tracking of Arctic terns Sterna paradisaea reveals longest animal migration. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 107 (5), S. 2078–2081. DOI: 10.1073/pnas.0909493107.
Fair, J.; Paul, E.; Jones, J. (1997): Guidelines to the Use of Wild Birds in Research. Washington D.C.
Spencer, Herbert (2002): The principles of biology. Honolulu, HI: University Press of the Pacific.