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Lebenslaufstrategien des Mauerseglers

Wie Zugverhalten, ökophysiologische Reaktionen und Nahrungssuchstrategien den Fortpflanzungserfolg beim Mauersegler beeinflussen
Laufendes Projekt
Langzeitstudie seit 2007

Um den eigenen lebenslangen Fortpflanzungserfolg zu maximieren haben Tiere artspezifische und in diesem Rahmen auch individuelle Lebenslaufstrategien entwickelt. Um individuelle Entscheidungs­pro­zes­se im Kontext der Lebenslaufstrategien zu verstehen, eignen sich Untersuchungen an Modellarten mit einem extremen Lebensstil wie etwa Langstrecken-Zugvögel. Unter den Langstreckenziehern zeigt der Mauersegler Apus apus einen extremen „Lifestyle“. Sie sind bis zu 10 Monate ununterbrochen im Luft­raum und ziehen jährlich zwischen Europa und Afrika hin und her. Aufgrund (1) ihres permanenten Le­bens im Flug sowohl in Afrika als auch in Europa, (2) ihrer extremen Abhängigkeit von Luftplankton, (3) der zeitlich sehr begrenzter Brutzeit von gerade 3 Monaten und (4) einer ungewöhnlich langen Nest­lingszeit sind Mauersegler ständig ökologischen Zwängen, Einschränkungen und Un­vor­her­sag­bar­kei­ten ausgesetzt und müssen entscheiden, wie sie die begrenzten Nahrungsressourcen nutzen und ihre Energieressourcen einsetzen, um trotz der Zwänge den eigenen lebenslangen Fort­pflan­zungs­er­folg zu maximieren. Dies macht diese Art zu einem idealen Kandidaten, um individuelle lebens­ge­schicht­liche Entscheidungen zu untersuchen und besser zu verstehen.

Ziel unseres Projektes ist es im Rahmen einer Längsschnittstudie 40 Brutpaare (von derzeit 60 Paaren in 2019) der Mauersegler der Kolonie Olpe in auf­einanderfolgenden Brutphasen und Zugphasen (= Zeit außerhalb der Brutzeit) individuell und kon­ti­nu­ierlich zu verfolgen, um die individuellen le­bens­ge­schichtlichen Entscheidungen zur Maximierung des eigenen Bruterfolges über mehrere Jahre hin­weg zu untersuchen. Wir wollen verstehen, welche ex­trin­sischen (umweltbedingten) und welche in­trin­sischen (genetische, konditionsabhängige) Fak­to­ren zu den Entscheidungen der Vögel in den ver­schie­denen Phasen des Jahreszyklus beitragen und in­wiefern die Entscheidungen in der einen Phase die Entscheidungen in der nächsten Phase („Carry-over“-Effekte) und letztendlich den Bruterfolg be­ein­flussen. Um die lebensgeschichtlichen Entscheidungen bei Zugvögeln besser verstehen zu können, benötigen wir Informationen über den gesamten Jahreszyklus einer Art und nicht nur Informationen aus der Brut­zeit. Leider sind Zugvogelstudien, die den gesamten jährlichen Le­bens­zyk­lus erfassen, sehr selten und viele Fragen sind noch völlig ungelöst, insbesondere bei kleinen Lang­strecken­ziehern. Zur Untersuchung der individuellen Entscheidungsprozesse und des Einflusses variabler Umweltfaktoren auf den Fortpflanzungserfolg haben wir uns für den Mauer­seg­ler entschieden, weil er unter den Langstreckenzieher einen außergewöhnlichen Lebensstil führt.

Der Mauersegler Apus apus

Der Mauersegler Apus apus (Strisores, Apodiformes, Apodidae), ist ein langlebiger (durchschnittliche Le­benserwartung von 5-7 Jahren, max. 21 Jahre), kleiner Vogel (Körpergröße von 17-18 cm, Flügellänge von ca. 17 cm und einem Gewicht von durchschnittlich 40,5 g) und ernährt sich ausschließlich von Fluginsekten und Ballonspinnen. Mit Ausnahme der Brutzeit verbringen Mauersegler ihr ganzes Leben im Flug). In Mitteleuropa bleiben Mauersegler von Ende April/Anfang Mai bis Ende Juli/Anfang Au­gust (fast drei Monate) im Brutgebiet. Für die Mauersegler, die in Mit­tel­europa brüten, ist bekannt, dass die Hauptwanderungsrichtung im Herbst SW-S ist. Während der Herbstwanderung ziehen Brutpopulationen aus Mittel- und West­europa nach Süden über die iberische Halbinsel und entlang der nordwestlichen afrikanischen Küste, während Vögel, die in Osteuropa brüten, durch den östlichen Teil des Mittelmeerraums wan­dern, was auf einen östlicheren Verlauf der ursprünglichen Wanderrichtung hindeutet.

Die Mauersegler der Brutkolonie Olpe

Die Mauerseglerkolonie befindet sich in der Talbrücke „Ronnewinkel“, die als Teil der Bundesstraße B54/55 über dem Biggesee in der Nähe der Stadt Olpe verläuft (Walker u.a. 2009, Abb. 1). Unterhalb der Fahrbahn befinden sich pro Fahrbahnseite acht Hohlkammern in einer Rei­he. In diesen Hohlkammern brüten die Mau­er­segler weitestgehend vor Witterungseinflüssen geschützt. Durch Lüftungslöcher im Boden der Kammern gelangen die Segler ins Innere. In nächster Nähe zu diesen Öffnungen bau­­en sie direkt auf dem Beton ihre Nester aus Speichel und Materialien, die sie aus der Luft sammeln. Diese Ko­lonie ist seit 2003 bekannt. Die Talbrücke „Ronnewinkel“ bietet hervorragende Möglichkeit, Untersuchungen an den Vögeln der Kolonie durchzuführen. Im Jahr 2003 konnten bei der ersten Begehung 29 Brut­paa­re ge­zählt werden, 2004 waren es 30 Paare. Seit 2007 steigt die Anzahl der Brutpaare kon­ti­nu­ier­lich an, von 38 Brutpaare in 2007 bis auf 60 Brutpaare in 2019.

Methoden I
Antennensystem und Infrarotkameras

Um feststellen zu können, wie viel jeder Altvogel in die Aufzucht von Jungen investiert, werden alle Vögel mit einem injizierbaren passiven Transponder (EURO.I.D., Weilerswist) versehen. Über ringförmige Antennen an Nestern und Einfluglöchern (s. Untersuchungsgebiet) werden Zeitpunkt und Dauer des Aufenthalts jedes Individuums mit Hilfe dieser Transponder registriert. Dadurch kann man u.a. Rückschlüsse auf Länge und Dauer von Brutphasen sowie Fütterungshäufigkeiten ziehen kann. Für letztere werden zusätzlich Nestüberwachungen mit Infrarotkameras durchgeführt. Diese Daten können dann zu Wetterparametern oder Legebeginn in Beziehung gesetzt werden (Vergleich: frühe vs. späte Brüter). Weiterhin lässt sich durch das Transpondern von Nestlingen ermitteln, ob und wann ein Mauersegler in kommenden Jahren wieder zum Schlupfort zurückkehrt und wann er das erste Mal selbst mit einer Brut beginnt.

Methoden II
Geolokatoren zur Bestimmung der Zugroute

Ein Geolokator ist ein kleiner, etwa 0,5 g schwerer Datenspeicher mit einem Lichtsensor und einer internen Uhr. Diese Uhr funktioniert wie eine Stoppuhr und wird zur Beginn der Datenaufnahme gestartet. Der Geolokator wird dann einem ausgewählten Mauersegler vor dessen Abflug in den Süden zur Aufzeichnung der Lichtintensität in seiner Umgebung wie ein Rucksack auf den Rücken gebunden. Nach dessen Rückkehr im folgenden Frühjahr wird der Mauersegler erneut gefangen und der Datenspeicher kann zum Auslesen der Daten abgenommen werden. Man erhält anhand der aufgezeichneten Zeit die Länge der einzelnen Hell- und Dunkelphasen und kann anhand der Tageslänge berechnen, auf welchen Breitengrad sich der Mauersegler aufgehalten hat. Bezieht man nun den jeweiligen Zeitpunkt der Tagesmitte auf die Mitteleuropäische Zeit, zu der Geolokator gestartet wurde, findet man auch den Längengrad heraus. Auf diese Weise kann man, mit Ausnahme der Zeiten um Tagundnachtgleiche, Zugroute und die Aufenthaltsorte während der Überwinterung in Afrika rekonstruieren und erhält somit wertvolle Erkenntnisse über das Leben des Mauerseglers außerhalb der Brutsaison.

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