Promotionsprojekt von Dipl.-Biol. Nina Kniel
Abgeschlossenes Projekt
2010 - 2016
Einführung

Die sexuelle Selektion ist einer der bedeutendsten und faszinierendsten Faktoren der Evolution und steht im Zentrum verhaltensökologischer Forschungen. Unter sexueller Selektion versteht man die Auslese des einen Geschlechts durch das andere. Sie fördert Merkmale, die den Fortpflanzungserfolg eines Individuums durch die Wahl des Paarungspartners erhöhen. Bei den meisten Tierarten wählen die Weibchen unter den Männchen den Paarungspartner aus, da die Weibchen häufig mehr Energie, Zeit und andere wichtige Ressourcen in die Nachkommen investieren als die Männchen (Krebs & Davies 1996, Trivers 1972). Die Partnerpräferenzen der Weibchen sind somit die treibende Kraft für die Evolution extravaganter Schmuckmerkmale im männlichen Geschlecht.

Neben ökologischen Faktoren (Endler & Basolo 1998) und maternalen Effekten (Moussau & Fox 1998) ist der Einfluss der sozialen Umwelt auf die weibliche Partnerwahl besonders groß (Freeberg u. a. 1999). Die soziale Umwelt ermöglicht die Interaktion mit und das Beobachten von Artgenossen und schafft so die Voraussetzungen für soziales Lernen (Heyes 1994). Auch im Kontext der Partnerwahl kann soziales Lernen eine entscheidende Rolle spielen. Individuen, die in einer Gruppe leben, können sogenannte „public information“ nutzen (Danchin u. a. 2004, Dall u. a. 2005), indem sie ihre Artgenossen während der Wahl eines potenziellen Paarungspartners beobachten.

Das Kopieren der Partnerwahl ist eine wichtige Form des sozialen Lernens im intersexuellen Kontext (Westneat u. a. 2000, Witte 2006). Weibchen kopieren die Partnerwahl anderer Weibchen, indem sie eine sexuelle Interaktion zwischen einem Weibchen und einem Männchen beobachten und anschließend mit dem selben Männchen kopulieren wie das beobachtete Weibchen zuvor. Weibchen wählen somit den Partner nicht ausschließlich unabhängig von anderen Weibchen, wie es die Modelle zur intersexuellen Selektion annehmen, sondern sie können bei der eigenen Partnerwahl durch die Wahl anderer Weibchen beeinflusst werden.

„Unterstützt das Kopieren der Partnerwahl die Evolution neuer Schmuckmerkmale beim Zebrafinken (Taeniopygia guttata castanotis)?“

Nina Kniel versucht in ihrem Promotionsprojekt herauszufinden, ob das Kopieren der Partnerwahl die Durchsetzbarkeit eines neuen männlichen Schmuckmerkmals beim Zebrafinken unterstützt. Außerdem untersucht sie, unter welchen Bedingungen Zebrafinkenweibchen die Partnerwahl kopieren. Sie möchte somit zum besseren Verständnis dieser interessanten Partnerwahlstrategie beim Zebrafinken beitragen und einen wichtigen Beitrag zur Erklärung der Evolution männlicher Schmuckmerkmale leisten.

Der Zebrafink

Der Zebrafink Taeniopygia guttata castanotis ist eine soziale Vogelart, die in großen Schwärmen (bis zu mehreren hundert Individuen) ganzjährig in Australien lebt (Zann 1996). Diese sozialen Verbände machen es sehr wahrscheinlich, dass sich die Vögel gegenseitig bei der Partnerwahl beobachten. Somit ist der Zebrafink eine ideale Art um das Kopieren zu untersuchen. Der Zebrafink ist eine sozial monogame Art; Männchen (oben im Bild, rechts) und Weibchen (oben im Bild, links) betreiben Brutpflege. Das Männchen baut ein kugelförmiges Nest, das Weibchen legt ca. 4-6 Eier. Die Eier werden von beiden Partnern ca. 12 Tage lang bebrütet. Nach dem Schlupf werden die Jungen ca. 21 Tage lang im Nest und noch weitere 10 Tage außerhalb des Nestes versorgt (unten im Bild). Sie fressen Sämereien und Insekten. Wir verwenden Nachzuchten (F8-Generation) wilder Zebrafinken aus Australien. Dies ist eine der wenigen echten australischen Zebrafinkenpopulationen (nicht domestiziert) in Europa.

Als evolutiv neues Schmuckmerkmal, das den neuen männlichen Phänotypen charakterisiert, verwende ich rote Federchen einer Federboa (Bild unten rechts). Die Feder steht wie eine Schopffeder vom Scheitel der Tiere ab. Die Federn sind bereits bei einigen Arbeiten zur Klärung verschiedener Fragestellungen erfolgreich eingesetzt worden (Witte & Curio 1999, Witte u. a. 2000, Hörster u. a. 2000, Witte & Sawka 2003, Witte & Caspers 2006). Für die Versuche werden Männchen zweier unterschiedlicher Phänotypen verwendet. Zum einen der geschmückte (rote Feder, Bild unten rechts), zum anderen der ungeschmückte (Wildtyp, Bild unten links) Phänotyp. Der Wildtyp erhält ein unauffälliges, dreieckiges Stück einer Schwungfeder.

Das Kopierexperiment

Erster Präferenztest: In der ersten Wahlphase werden einem Testweibchen zwei Männchen gleichzeitig präsentiert, die sich im Phänotyp unterscheiden. Eines der Männchen ist ein ungeschmückter Wildtyp , das andere trägt zusätzlich eine rote Scheitelfeder. Der Wildtyp erfährt die gleiche Behandlung. Diese Wahlphase dauert 2 x 20 Minuten. Nach den ersten 20 min werden die beiden Männchenkäfige seitenvertauscht, so dass gegen eine mögliche Seitenpräferenz statt einer Männchenpräferenz der Weibchen kontrolliert werden kann.

Beobachtungsphase: In dieser Phase werden erneut zwei Männchen der beiden zuvor genannten Phänotypen präsentiert. Zu dem Männchen, das die rote Scheitelfeder trägt, wird ein so genanntes Modellweibchen gesetzt. Dieses Modellweibchen ist die Partnerin des geschmückten Männchens. Die Interaktionen zwischen dem Männchen und seiner Partnerin sollen dem Testweibchen anzeigen, dass dieses Weibchen mit diesem Männchen des neuen Phänotyps verpaart ist. Das Testweibchen erhält nun 2 Stunden Zeit, die Tiere zu beobachten.

Zweiter Präferenztest: In der zweiten Wahlphase werden dem Weibchen erneut zwei Männchen der beiden Phänotypen präsentiert. Das Weibchen erhält wieder eine 2 x 20 min andauernde Wahlphase mit einem Seitenwechsel der Männchenkäfige nach 20 Minuten.

Anschließend werden die Zeiten, die die Weibchen vor den beiden männlichen Phänotypen verbracht haben, summiert und verglichen.

 

WissenschaftlerInnen
Ausgewählte Publikationen
  • Kniel, N., Müller, K., Witte, K. (2017): The role of the model in mate-choice copying in female zebra finches. Ethology 123: 412-418, DOI: 10.111/eth.12611. PDF
  • Kniel, N., Bender, S., Witte, K. 2016. Sex-specific audience effect in the context of mate choice in zebra finches. Plos One. DOI:10.1371/journal.pone.0147130
  • Kniel, N., Dürler, C., Hecht, I., Heinbach, V., Zimmermann, L., & Witte, K. 2015. Novel mate preference through mate-choice copying in zebra finches: sexes differ. Behavioral Ecology. 26:647-655. PDF
  • Kniel, N., Schmitz, J., Witte, K. 2015. Quality of public information matters in mate-choice copying in female zebra finches. Frontiers in Zoology. 12:26. PDF
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